Mittwoch, 18. November 2009
Also ich muss sagen:
Meine neue WG ist super!

Super lieb

Super interessant

Super ungefährlich ;-)



Zwar kann Jiawei nicht ganz so gut kochen, wie anfangs gehofft (genauer gesagt, hat sie das Kochen erst hier in Spanien begonnen und telefonisch von ihrem Vater gelernt...), aber trotzdem mache ich ganz neue Geschmackserfahrungen und lerne eine Meeeenge über China... Gestern hat mir Fang Fang viele Provinzen näher erklärt, Fotos gezeigt, von lokalen Bräuchen erzählt, beschrieben, woran man richtig guten Tee erkennt etc.
Vielleicht sollte ich ja die zwei Monate Schweden kürzen und nach Vietnam noch ein paar Wochen China anhängen?!

An die Kultur habe ich mich jedenfalls schon ein bisschen gewöhnt:
Die Mädels kommen nach Hause und springen als erstes in ihren Schlafanzug :-D



Umweltbewusstsein existiert praktisch nicht:
Laptops und zum Teil auch das Licht bleiben beim Verlassen des Hauses angeschaltet, zum Abtrocknen des Geschirrs wird, ebenso wie zum schnellen Händetrocknen, Küchenpapier verwendet (vom Hörensagen bzw. aus ihren früheren spanischen Familien kennen sie aber Abtrockenhandtücher).
Beim Waschen kann man ruhig mal ein paar Kappen Waschmittel und Weichspüler für eine halbe Füllung verwenden - schließlich spart man ja schon an den Mülltüten - Mülltrennung ist nicht vorhanden, aber das macht hier in Spanien ja eh nichts.
Bio ist ein Fremdwort, obwohl es ja einige Bio-Tees aus China gibt...

Apropos Tee:
Mein Start in der WG war eigentlich gar nicht so glorreich, weil ich das erste gemeinsame Abendessen gleich mal abgesagt habe, um mich mit diversen anderen asiatischen Kulturen näher zu beschäftigen ;-)
Ich dachte eigentlich, die Absage sei rechtzeitig gewesen, aber wie sich später rausstellte, hatte Jiawei da schon für alle Drei gekocht.
Als Entschuldigung habe ich den Mädels am nächsten Tag jeweils einen Lutscher aus dem Haribo-Store geschenkt.
Kosten: Unter einem Euro.
Die Mädels freuen sich überschwenglich und auch ehrlich, weil das für sie wohl gar nicht so das Problem war, dass ich abgesagt habe.
Einige Minuten darauf kommt Fang Fang mit zwei kleinen Päckchen an:



Das sei ein ganz guter Tee, den sie aus China mitgebracht hat. Schenkt sie mir.
Ich lehne erstmal ab, weil ich ja nicht für mein Entschuldigungsgeschenk ein Geschenk von ihr erhalten will.
Natürlich akzeptiert sie aber keine Ablehnung und so überwiegt meine Neugier (echter chinesischer Tee!) und ich nehme an.
Je nach Anwendung reiche ein Päckchen für viele Tees.
Gleich mal ausprobieren - Erstmal also öffnen:



Aha... und jetzt? Einfach so in die Tasse? Ok...



Oooh- die Kügelchen entfalten sich und sinken mit der Zeit auf den Boden.
Schon zum Zuschauen toll, aber der Gerucht- UMWERFEND!
Eine Mischung aus Blumen, aber auch ein bisschen "moosig".

Ob das Grüner Tee sei, frage ich.

Nein, aber im Spanischen gebe es kein passendes Wort dafür... Auf chinesisch "Guan Yin Wang".

Endlich hat das Wasser die richtige Temperatur, ich kann probieren...
...
Mir fehlen die Worte!

Sowas von lecker!

Verdammt, was ist das für ein Tee... so langsam schwant mir, das ich hier etwas ziemlich Exklusives schlürfe...
Etwas vorsichtig frage ich, ob der Tee denn teuer sei (das ist das praktische an interkulturellen WGs- man kann fragen stellen, die man sonst eher vermeidet - wenn man schonmal die Möglichkeit hat!)

Naja, sei schon ein bisschen besser. Eigentlich habe ihr Vater den Tee geschenkt bekommen, aber sie habe einige Päckchen mit hierher gebracht.

Geschenk für ihren Vater?
Das kann kein 0815-Tee sein!
Und das als "Gegengeschenk" für 'nen Lolli?! Das kann ich nicht annehmen!
Bitte nimm' die Päckchen selber!
...
Dann wenigstens das zweite!
...
Oh man ... aber du benutzt den Tee mit, ok?

Nun bin ich also stolzer Besitzer von eineinhalb Päckchen "Guan Yin Wang"!

Als ich am Wochenende mit Jiwon und zwei chinesischen Freundinnen die neue arabische Bar nahe Alcalingua getestet habe (Hummus! Wie könnte ich da widerstehen!)...



(v.l. Jiwon, Hahn im Korb, Elena, Anna)

... haben wir ein bisschen meine Fotos durchstöbert und als die beiden Chinesinnen den Guan Yin Wang gesehen haben, waren sie ganz aus dem Häusschen.
Mit ihrer Hilfe und ein bisschen Recherche in den Weiten des Internets habe ich nun rausgefunden, dass es sich um die Sorte Tin Kuan Yin handelt und Guan Yin Wang als der beste Tee dieser Sorte gilt...
Na- neidisch?!

Auch sonst habe ich, wie gesagt, ganz neue Geschmackseindrücke.
Schon der Reis ist geschmacklich total anders (halt wie im China-Restaurant - ich liebe es!), wenn er in dieser chinesischen Eierlegenden Wollmilchsau zubereitet wird:



Ein Knopfdruck genügt und das Ding bereitet Reis, Suppe, Fleisch und was weiß ich noch alles zu!
Kein Wunder, dass Jiawei das Gerät tatsächlich aus China hierher geschleift hat...
Zwar gibt es jeden Tag Fleisch, aber so unterschiedlich zubereitet, dass es für mich trotzdem spannend bleibt - zumal hier Körperteile verwendet werden, deren Ursprungsort ich immer im Nachhinein ergoogeln muss.

Nun weiß ich zum Beispiel, dass die Fleischbeilage in diesem Gurkensalat...



... auf Deutsch Bries heißt und es sich dabei um ein "lymphatisches Organ" handelt - soso ;-)

Auch sonst stehen mit Rippensuppe und "Ke Le Ji Chi" ...



(Hühnchen mit Cola - ein bei allen Chinesen bekanntes Gericht und Jiwon kannte es sogar aus Guatemala... Mensch, ich habe ja echt keine Ahnung von den aktuellen Kochtrends!) nicht unbedingt Speisen auf dem Plan, die ich von zu Hause kenne...











Ab und zu gibt's - chinesischen - Besuch, hier zum Beispiel von Wang alias Christian.

Einer größeren Umstellung bedarf es allerdings hinsichtlich der Hygiene...
Dass wir alle mit unserem Löffel aus dem gleichen Suppentopf schlürfen, ist für mich eigentlich gar nicht so das Problem (Lena, vergiss, was ich diesbezüglich gesagt habe, von wegen es würden nur die Ingedienzien mit den Stäbchen rausgefischt - man trinkt auch die Suppe mit dem Löffel).
Wenn Papa mal wieder mit der Gabel in der Pfanne stochert, werde ich jedenfalls kein Problem mehr haben, danach noch was davon zu essen ;-)
Interessant ist aber, dass die Mädels meine Frage gar nicht verstanden haben, ob Kranke auch aus der gleichen Schüssel essen - Äh natürlich?!
Ansteckung?
Haben sie sich jetzt noch gar nicht überlegt, aber jetzt wo ich's sage... *weiterfutter* :-D
Ich glaube aber ja eh, dass ich in einem früheren Leben ein Asiate war - kann dem ganzen einfach sehr viel abgewinnen und die Idee mit dem geteilten Essen ist eigentlich um einiges sozialer als unser "Meins-Deins-Gehabe".
Wobei die Spanier ja noch am ehesten in die geteilte Richtung gehen, mit ihren Tapas und Raciones (ein großer Teller, von dem sich alle bedienen).

Dass es aber scheinbar nicht üblich ist, sich nach dem Heimkommen die Hände zu waschen, sondern gleich mit dem Kochen anzufangen und dort dann das schon mehrmals auf- und wieder eingefrorene Fleisch im gefüllten Waschbecken zu zerrupfen, während man nebenbei noch das Gemüse sozusagen im Mülleimer schält... gewöhnungsbedürftig...
Aber angesichts meines nach wie vor blendenden Gesundheitszustands sieht man mal wieder, wie übertrieben unsere Vorstellungen von Hygiene hierzulande sind...

Naja ok, ein bisschen verblendet ist mein Gesundheitszustand vielleicht, weil ein wenig mehr Schlaf nicht schaden würde... aber dafür auf interkulturelle (und intergenerative) Partyabende verzichten?



(Verabschiedung von Maria aus Schweden, in der Music Bar gegenüber meiner früheren Calle Mayor-Habitation, in der ich, als ich noch dort lebte, nie war und jetzt quasi ständig - typisch... Links ist Arabien und rechts Taiwan vertreten...)



(v. hl. nach v. r.: Taiwan, Taiwan, Frankreich, Deutschland, Japan, Arabien, Taiwan)



(Korea, meine ehemalige Lateinamerika-Kultur-Lehrerin Cecilia aus Spanien, Taiwan, Arabien, Deutschland, Korea, Deutschland, Taiwan)

Nie im Leben verzichte ich darauf!

Die erste Deutschland-Vertretung auf obigem Bild ist übrigens Lisa, die das Animateurprogramm auf den Kanaren für einen Monat gemacht hat und jetzt in einer Familie in Madrid Au-Pair macht, auf mehr Arbeit im Dezember hoffend...
Was sie mir so von ihrer Arbeit auf Teneriffa erzählt hat, war sehr spannend:
Nur Vier- bis Fünf-Sterne-Hotels, also überhaupt nicht diese Abifahrt-Sauf-Animation - aber nichtsdestotrotz seeehr stressig.
Tatsächlich meinte sie, über die jetzige Pause gar nicht so unglücklich zu sein, da die anfänglich geplanten acht Monate vielleicht doch etwas hart geworden wären - sagt sie nach einem Monat!
Und nochmal muss ich betonen: Vieles lief hier nicht wie ehemals geplant (gestern habe ich eine E-Mail von einem Bekannten aus München gekriegt, der gefragt hat, ob ich eigentlich noch den Animateur auf den Kanaren spiele - man, hast du viel verpasst...), aber - Schicksal?! - so, wie es lief bzw. läuft, ist es einfach super!
Ich weiß gar nicht, wie ich euch das danken soll, dass ich hier sooo interessante Erfahrungen machen kann und darf!
Vielen vielen Dank!

Dank euch habe ich hier so viele neue Freunde gefunden - denn natürlich unternehme ich auch nach wie vor noch was mit meinen lieben Italienern...



So waren wir am Wochenende erst mit Emilies Besuch aus Frankreich im Theater (fragt mich nicht, um was es ging :-D)...



,
danach spanisch Essen...
(davon habe ich allerdings keine Bilder, da ich mit meiner Essensentdeckung beschäftigt war:
Da denkt man "Boah nä - was bestellen die denn jetzt Kroketten, gehts noch schlechter?"
und muss sich dann eingestehen, dass Namen Schall und Rauch sind und man mal wieder nicht offen genug war:
Die "Croquetas" sehen zwar aus wie dicke deutsche Kroketten, sind allerdings nicht mit Kartoffelmasse, sondern mit einer sehr dickflüssigen warmen Bechamelsoße gefüllt- schlicht, aber hmmm!)

...schließlich ging's zum Trinken noch in einen Irish Pub, wobei ich mich ein bisschen als interkultureller Vermittler betätigt habe, indem ich meine japanischen Freunde Jumpe und Masa (der mit dem Angebot, eine Weile bei seiner Familie in Japan zu wohnen) noch hinzugeholt habe...



Sieht auf dem Foto zwar ziemlich separiert aus, aber tatsächlich hatten wir zusammen echt viel Spaß und es war total witzig, zu sehen, wie sich die lebensfrohen Italiener, die stolzen Franzosen und die zurückhaltenden Japaner zusammenfinden!

So, jetzt bin ich wieder mal an einem Punkt, an dem ich noch einige Stichworte auf meiner Tagebuchliste habe, die aber nicht so ganz ins Gesamtgefüge passen.
Also mal schauen...
Als erstes wären da die Dinge, die ich bisher in meiner WG gelernt habe:
Essen mit Stäbchen aufspießen ist erlaubt - ich dachte, dass sei ein totales No-Go. Vielleicht gilt das Verbot aber auch nur für Japan...
Jegliches Spielen mit den Stäbchen wird hingegen nicht gern gesehen.

Schmatzen, um zu signalisieren, dass es einem schmeckt, ist totaler Quatsch.
Angeblich ist leises Essen angebracht, allerdings verhalten sich zeitweise Jiawei und vor allem zwei chinesische Bekannte von mir diesbezüglich ziemlich abweichend, indem sie recht wahrnehmbar essen.
Die beiden Bekannten reden darüberhinaus noch mit vollem Mund, was mich ehrlich gesagt immer fuchsteufelswild macht.
Hallo?! Wieso schiebst du dir 'nen Riesenbissen rein, wenn du mir etwas sagen willst?
Zugegebenermaßen bilden die beiden Jungs da Ausnahmen - bei meinen sonstigen chinesischen Bekanntschaften habe ich sowas bisher noch nicht gesehen.
Vielleicht also auch einfach schlechte Erziehung - soll's ja auch dort geben ;-)

Chinesinnen (ich verallgemeiner jetzt einfach mal ganz fies) sind verrückt nach Aufklebern - in unserer Wohnung sind sie überall: Auf Geschirr, Wänden, Möbeln, Elektrogeräten...
Und: Fang Fang steht auf Tokio Hotel (die sie aber erst hier im Fernsehen kennengelernt hat) - und ist damit hier nicht allein :-D

Fleisch muss nicht vom Knochen getrennt werden, bevor es auf den Tisch kommt - die kann man auch mitessen bzw. zu große Stücke wieder ausspucken (welch Überraschung bei meinem ersten Curry, als ich mir dachte: "Oh, das Hühnchen ist aber knusprig" *knirsch knirsch*).

Salat wird nicht roh gegessen, sondern immer gebraten...



... oder gekocht...



Ein bisschen Lauch macht sich in jedem Essen gut, Fleisch bekommt einen besseren Geschmack, wenn man es vor dem Anbraten kurz in Ingwerwasser kocht, Gerichte behalten angeblich ihren Geschmack, wenn man sie vor dem Kühlen nochmal erwärmt (allerdings sollte man sie dann auch tatsächlich in den Kühlschrank stellen, oder nicht ;-)).

Chinesen können nicht mit koreanischen Stäbchen essen - die sind aus Metall, schwerer und dünner.

Neben diesen ganzen lebenswichtigen Erkenntnissen lerne ich natürlich auch noch ein bisschen spanisch, wobei mir zugute kommt, dass meine beiden Mädels alles zusammen machen (wenn die eine schläft, schlummert auch die andere; man geht zusammen einkaufen; kann auch Stunden in der Schule warten, bis eine ihre Sachen auf der Bank erledigt hat etc...), denn so übe ich endlich auch mal die Zweite Person Plural ;-)
Damit kann ich dann in meiner neuen A-1.2-Klasse glänzen:



(Felipe und Lilly aus China, Sonia, unsere Lehrerin für Konversation, Deutschland- und Horrorfilmfan (wie passt das zusammen ;-)), Trisha aus Ghana, Lia aus China und der Uigure Ricardo. Es fehlen Celina aus England und Vanessa)

Ihr seht, eine bunte Truppe.
Und damit - mal wieder - super interessant.
Oder kanntet ihr schon Omas beste Hausmittel gegen Malaria (Orangen- und Ananasschalen mit grünem Tee aufkochen und die Lösung, etwas abgekühlt, trinken...)?!

So, das war's bis hierhin, jetzt muss ich mir wieder überlegen, wie ich ab dem 19. Dezember reise:
Nur Spanien oder per Interrail durch Spanien, Frankreich (, Italien, Österreich), Deutschland?
Oder ganz anders?
Bloß zu teuer sollte es nicht sein...
Für Vorschläge bin ich nach wie vor offen :-)